Marrakesch, die Zweite!

 

 

Auf wundersame Weise habe ich Kenntnis von einer kleinen Teegesellschaft in Marrakesch erfahren, die ich hier wahrheitsgetreu wiedergeben möchte. Auch wenn wir nicht im 5-Star Deluxe Super-Ressort (Mamounia) abgestiegen sind, habe ich nun eine gewisse Vorstellung von den lustigen Zeitgenossen, die sich hier über all die Jahre niedergelassen haben und aus ihren Schwärmereien für dieses wundersame Land keinen Hehl machen. Die lustigen Störche auf der El-Badi Festungsmauer vom alten Palast nicken zustimmend.

 

Wir sind auf einen Tee mit frischer grüner Minze bei Bill Gates, Winston Churchill und Kate Winslet auf der großen Dachterrasse eingeladen. Eine königliche Zeremonie soll es auch noch geben. Wie aufregend! So wollen wir uns überraschen lassen und einen angeregten Tag verbringen, denken wir. Derweil lungert Krupp Junior aus der großen deutschen Industriellen-Dynastie in seiner kleinen Villa Bled Targui in der nördlichen von Marrakesch gelegenen Oase an seinem Pool rum und fragt sich, wo seine gute Freundin und Zofe Senta bleibt! Schon längst wollte sie doch bei ihm sein, die neuesten Pläne für seinen Garten besprechen. „Jetzt weiss ich es wieder, sie ist ja noch mit der schönen Schwedin Ingrid unterwegs, ein paar Spione müssen noch eingefangen werden, die mal wieder Unheil in diesem fremden Land anrichten. Das wird ein Spass!“ Und Freund Humphrey „Rick“ läßt sich heute entschuldigen, sein kleines Café am Meer steckt gerade in Schwierigkeiten. Letzte Woche waren zwar seine Freunde, die „Amigos“ für ein kleines Gastspiel bei ihm und haben ihm bei einem guten Scotch Mut zugesprochen, dass abendliche Unterhaltungsprogramm etwas „flotter“ zu gestalten. Wir sind alle gespannt, ob sich dann auch der alte Sachs-Gunther mal wieder blicken lässt, der in die Jahre gekommene Jetset-Profi aus Deutschland ist immer noch berühmt für seine wilden Parties und Eitelkeiten. Das könnte Wunder bewirken.

Das Taxi fährt beim La Mamounia vor und ein geheimnisvolles Paar steigt aus dem Wagen. Sie, Perlenketten behangen in einem weiten Gewand aus flatternden bunten Seidentüchern, er im dunklen Smokingjacket mit kurzen weißen Shorts und passenden Turnschuhen. Brad und seine neue Geliebte, wieder so ein Sternchen. Und Winston sieht auch wieder lustig aus mit seinem Turban auf dem Kopf! Man könnte fast meinen, er hat sich eine dicke, gefährliche Kobra um den Hals gewickelt! Gelangweilt steht er in einer Ecke des Palastes und zappelt mit seinen Füßen hin und her. Eine Menge Dienern in weißen Uniformen stehen Spalier und wedeln mit riesigen Palmenzweigen frische Luft in den Raum. Gedankenversunken nuckelt der alte Mann mit dem jugendlichen Witz eines Alkoholikers und Künstlers hin und wieder an seiner langen Zigarre und starrt auf die weiblichen Rundungen von Amy, die gerade mit ihrer neuen Frisur eine Runde durch die Lobby unternimmt. Das Fest soll gleich anfangen.

Bill ist schon ganz aufgeregt und fragt unentwegt, wann denn nun der König komme und er ihm ein bisschen von seinen neuesten Weltverbesserungsideen erzählen kann. Aber Kate läßt sich nicht aus der Ruhe bringen und sagt, dass ihr guter Freund Yves mit seinem blauen Haus ein Prachtkerl ist und sie nur darauf wartet, mit ihm ihre neue Rolle als königliche Mätresse abzustimmen. Laurent-Saint muss gehört werden, wenn es um das Wohl des Regenten geht. Wessen Regenten eigentlich?

Nun endlich, die königlichen Fanfarenbläser trompeten um die Wette und wilder Trommelwirbel setzt ein. Junge orientalische Schönheiten tanzen wilde Derwisch-Tänze und wackeln einladend mit ihren Hüften, die von dem kostbaren Argan-Öl glänzen. Die Luft ist erfüllt mit allerlei Gewürzen und schweren Parfum-Düften. Gedämpfte Stimmung bei allen. Und da erscheint das kleine runde Männlein in einem purpurnen Umhang und lässt sich seine Herrschaften und Gäste für den heutigen Tag vorstellen. Alle machen vorsichtig einen Knicks und auch Sir Peter muss mal mit seinem vorlauten Poirot-Getue ein bisschen kürzer treten. Erste Station für den heutigen Tag: Ein Ausritt in die Wüste, eskortiert von einer bunten Schar der Leibgarde auf hinterlistigen Kamelen, die ungebremst in die Knie sinken, wenn es gerade gefährlich wird und man es am wenigsten gebrauchen kann. Alle halten sich ganz gut auf den ollen Wüstenschiffen, so dass keiner Schiffbruch erleidet. Nach guten fünf Umrundungen der „rote Stadt“ mit der alten Festungsmauer ist der kleine Ausflug gut verlaufen und alle klopfen sich den Sand aufmunternd von den Schultern. Im Prinzenpalast geht es schon drunter und drüber und das viele Gold an den Wänden und Möbeln wackelt bedenklich von den vielen tausenden Laufburschen, Dienern und Sklaven, die für des Königs Wohl umher eilen. Die kleine Gesellschaft ist größer geworden: Mit dem Privatjet sind noch der jugendliche Gandhi und mit der Yacht von Abramowitsch Kaiserin Soraya eingetroffen, die ihre Spielzeugpuppe unter dem Arm trägt und im Jeep durch das wilde Atlas-Gebirge gebrettert wird. Sahra verspätet sich ein bisschen, sie muss noch mit den Geschichtenerzählern vom Djemaa el Fna ins Gebet gehen, die großen sowjetischen Errungenschaften nicht zu vergessen, unters Volks und den Touristen in die Augen zu streuen. Mit dem Heli wird sie dann später einfliegen, vielleicht nimmt sie aber auch einen Fallschirm um Kosten zu sparen. Das geht ja auch.

Eine Runde Sport zur Ertüchtigung kann nicht schaden, bevor der große Festtagsbraten aufgetischt wird. Winston schaut grimmig drein und sucht den Weg in die Küche. Töpfe und Tiegel klirren und klappern, hunderte von Tajine-Töpfe werden vorbereitet und gefüllt, Hauptattraktion ist aber das Hammel, das traditionell auf heißer Flamme am Spiess gebraten wird. Die Gelegenheit ist gerade günstig als die Köche nicht schauen. Schon sind seine Finger dabei, all die Rosinen aus dem Braten zu stiebitzen, was ihm auch einigermaßen gelingt, bei der Eintausendneunhundertfünfundsechzigsten ist dann aber endgültig Schluss. Derweil rackern sich der kleine schmächtige Gandhi und Bill bei einer Runde Tennis ab. Der kleine Mann aus Indien ärgert sich ein wenig, weil er immer wieder über sein weißes Leinentuch stolpert, vom roten Sand fürchterlich schmutzig wird und sich zwischen seinen Beinen verheddert. Microsoft-Gates hüpft vergnügt seinen Prügel schwingend herum (40:30!) und prostet Amy zu, die beim Seilhüpfen auch eine gute Figur macht. Wie auf ein Kommando vom schönen Yves halten alle kurz Stille und sollen ihre Ration Wasser bekommen, dazu wird das schöne alte Lied angestimmt, „Wir wollen trinken – sieben Tage lang“. So ein Durst!

„Ach, die gute alte Zeit“, brummt Brad, der sich gerne an die Casablanca-Konferenz erinnert und in prächtigen Kolonial- und Weltkriegserinnerungen schwilgt, der arme Arndt aus Essen zieht stirnerunzelt ein verkniffenes Lächeln und gibt sich kämpferisch. Diesen Neureichen werden wir es schon zeigen, „alles nur Wichtigtuer“, schreit er zu seinem Freund den König, der inkognito als verkleideter und bettelarme Taschendieb seine Mittagsrunde durch seinen Park macht. Er zwinkert ihm zu und gibt sich siegessicher, „denk aber bitte daran, wir brauchen sie noch, die ganzen Fremdländer, dies unsittliche, ungläubige Pack!“

Senta und ihre Freundin Ingrid sind mittlerweile erfolgreich eingetroffen und berichten kurz von ihrer Mission, aber nur der im Pool vergnüglich plantschende Ustinow tut so, als ob er etwas hören würde mit seiner über beide Ohren gesteckte Badekappe. Macht ja nichts, sagen sich alle und wenden sich wieder ihrem Treiben zu. Einhalt gebieten die unüberhörbaren Rufe und Gebete der Muezine, die durchs ganze Land fegen. Pünktlich ist die volle Stunde erreicht und es wird zu Tisch gebeten. Zu Beginn gibt sich der Sultan hin, eine kurze Glückwunschrede zu halten und lässt erklären, dass jeder Marokkaner mit 50 Stockhieben bestraft wird, der zukünftig ausländische Touristen schlecht behandelt, betrügt und über den Tisch zieht. Wohlwollendes Lächeln und mildes Zustimmen bei allen Versammelten an der reich gedeckten und geschmückten Tafel. In einem scheinbar unbeobachteten Augenblick sieht Sahra ihre Chance gekommen auf ein „echtes“ Andenken und mopst sich einen kleinen goldenen Löffel vom Tisch. Bogart-Marlowe hat es natürlich doch gesehen und klärt den Fall mit einem „Zaubertrick“ auf, um sich beim Prinzen ein zu schleimen. „Seht her,“ erklärt er lauthals, „ich nehme diesen goldenen Löffel und stecke ihn bei mir ins Jacket“, setzt dann geheimnisvoll an und greift in Zeitlupe rüber zu seiner Tischnachbarin, „und ziehe ihn bei meiner Freundin Sahra aus der Tasche!“ Aufschrei und Jubel zugleich. Fürstlich generös platziert er den Löffel wieder an seinem Platz und lacht sich heimlich ins Fäusten ob seiner Schläue. „Was für ein Künstler!“ jubelt hilflos die junge Soraya und nimmt vorsichtshalber ihr diamantbesetztes Collier von ihrem Hals. Man kann ja nie wissen, welche Zaubertricks hier noch für Unheil sorgen. Senta ist schon ziemlich angetrunken und möchte auch etwas sagen, heraus kommt auf tiefsten Bayerisch: „Das ist Lebensfr-rrreude, die Echte!“ mit einem schönen langen und gerollten R, so wie sich das anständig gehört, das schönste Lächeln im Gesicht. Gandhi beschwert sich in einem fort bei seinem Tischnachbarn Brad, dass er enttäuscht ist, nicht von Roosevelt geschickt worden zu sein, denn dann könne er auf Augenhöhe mit der frechen und strammen Sahra, die ja von Stalin persönlich ausgesandt wurde, internationale Politik machen.

Nun der zeremonielle Hauptteil des Tages: Der König und Sultan erzählt eine seiner tausendundeine Nachtgeschichten mit seinen Geliebten und seinen Abenteuern im heißen Wüstensand. Yves sorgt sich ein bisschen, dass es zu spät wird für den hohen Herrscher und seinen guten Freund, der immer wieder die Zeit aus den Augen lässt, als die Märchenstunden weiter fortschreiten. Zudem muss er ja noch morgen mit seiner alten Freundin Ingrid seine neue Kollektion besprechen, was ja auch für die Menschheit nicht ganz unwichtig ist. Eine Frage will er noch loswerden, wo denn der Monarch die schönen Messing- und leuchtenden Kupfer-Lampen her hat, die würden sehr gut in sein Penthouse im Clichy passen! Bill will auch zeigen, dass er sich hier als local resident sehr gut auskennt und ruft noch vor dem Sultan: „Sukk Medina die Prächtige, vierte Palme von Südwest links, dann dreimal wieder rechts und ganze 50 Schritt per Pferdekutsche um die Ecke links, dann müßte sich der Laden zeigen, oder?“ Zustimmend nickt der Wüsten-Fürst. Yves wird immer zappeliger und dann ist aber der Groschen gefallen: „Das ist ja fast um die Ecke von meinen guten Freunden Max&Jan, die mit den lustigen Fes-Hüten, die komischen Roten, richtig?“ Ein kurzes Ja geht durch den Saal.

„Lasst uns feiern, lasst uns singen und lasst uns nun die Geschenke auspacken!“ Bill steht als Erster auf und geht die zwanzig Schritte zum Monarchen, krempelt seinen linken Ärmel hoch und überreicht ihm seine alte ausgebleichte spärliche swatch! „Lieber Fürst, das ist mein Geschenk an Sie!“ Der Fürst blickt ihn ungläubig an. Als Zweite nimmt sich die schöne Senta ein Herz und all ihren Mut zusammen und kramt unter ihrem Tisch etwas hervor, auch sie geht zu dem Monarchen und übergibt ihm sein Präsent, dazu erläutert sie: „Herr König, das ist eine Original-Schwarzwald-Uhr mit echtem Kuckuck. Die singen fast so schön wie die Nachtigallen in ihrem Park“. Der Fürst blickt sie ungläubig an. Winston ist an der Reihe und holt eine goldene Taschenuhr am Band hervor, überreicht diese aber nur sehr missmutig, fast schon störrisch. Der Fürst blickt ihn auch ungläubig an. Kate, die über den ganzen Tag Magenschmerzen hatte und recht kränklich und abwesend ist, so wie in ihren Filmen, nimmt all ihre Lebensenergie zusammen und klatscht zweimal in die Hände, so dass zwei Diener hereineilen und ein rechteckiges, sperriges schweres Paket dem Monarchen bringen. „Das ist eine echt antike Standuhr aus Österreich, die sehr schön Ticktack im Sekundentakt macht. Der Fürst blickt auch sie ungläubig an. Alle Tischversammelten fangen mit dem Applaus an und freuen sich, dass die Überraschung so gut gelungen ist.

Nun begutachtet der Fürst die drei Gegenstände eingehend und folgt mit seinem scharfen Blick den wandernden Zeigern. Wie schön anzuschauen! Jetzt wird ihm alles klar! Schlagartig, wie die Augen vor den Schuppen, wird ihm der Zauber klar: „Ist es möglich, meine Freunde, dass ihr mich so reich beschenkt wußte ich ja, alle Pracht soll gehen, eure Geschenke werden auf Ewig bei uns sein, Allah sei Dank für Eure Güte, jubelt er über seinen eigenen Scharfsinn – Wir haben jetzt nicht mehr nur die Zeit, wir haben jetzt auch die Uhren!“

Brad ist müde und möchte sein Haupt auf Samson oder Sahra legen, Soraya fummelt immer noch an ihren Diamanten herum, Humphrey weiss sich auch nicht mehr zu helfen und bricht in schallendes Gelächter aus, Yves ist ganz entzückt, der arme Krupp träumt wieder von Schießkanonen, Sir Peter und Winston umarmen sich freundschaftlich zum Abschied und singen noch einmal zusammen das Lied der „Männern vom Morgenstern“, Mahatma schläft bereits und wird vorsichtig herausgetragen auf einer Holzpritsche, Senta zupft an ihrem kurzen Rock und denkt an ihren Freund Generaldirektor Haffenloher, Ingrid kann es nicht lassen, setzt sich an einen leeren Spiegel und denkt übers Schweigen nach, Amy schminkt sich ihre langen Wimpern und verwechselt noch ihren rechten und linken Pumps beim Aufstehen, so dass sie böse zu Boden kracht, Bill hilft ihr hoch und verheddert sich dabei aus Versehen im Kleid und BH, auf dem in gelber Pracht Homer Simpson hervorschaut, die sturzbesoffene Kate marschiert rückwärts zur Tür hinaus und alle gröhlen „Its a long way to Tipperary“ und natürlich die „Marseillaise“. Der Sultan salutiert ein letztes Mal zum Abschied. Und selbst die traurig gefiederten Störche, die den ganzen Tag zum König abkommandiert waren,haben nun von diesem langen Tag die Schnauze voll und fliegen in Formation geschlossen zu ihrem geliebten Palast El-Badi zurück, um von den alten Burgmauern den herrlichen Sonnenuntergang zu sehen. Vielleicht halten sie aber auch noch ein kleines Schwätzchen untereinander. Es passiert ja so viel im schönen Süden, Good Night Marrakech!

 

Blick von einem typischen Dach-Café auf irgendeine komische Festungsanlage in der Medina, Treffpunkt der internationalen und auch lokalen Storchen-Community („Hey Jungs, kommt alle rüber!“) auf den roten Sandstein-Mauern. Auf dem Bild verstecken sie sich aber gerade alle.

Ein paar Häuserwände…

In der Menara-Mall versteckt sich im dritten Stock ein Spiele-Paradies für die lieben Kleinen! Die Dachterrasse bietet allerdings einen perfekten Blick auf die Stadt. Das Beste: Im Erdgeschoss versteckt sich ein gut sortierter internationaler Supermarkt! So was kann sehr nützlich sein für gestresste Touristen (Wir!) bei all den seltsamen Tajine-Kochkünsten. Zur Abendstunde spielt auf dem Vorplatz Beethoven zu einem eher bescheiden ausfallendem Wasserbrunnen-Spektakel.

Marrakesch – Eine Bowlingbahn, wie schön! Unauffällig  in irgendeinem merkwürdigen Untergeschoss.

Stadterkundungen und Stadtfürsten (hier auf dem Bild rechts die versammelte Herrscher-Mischpoke)

Liebe zum Detail im Schaufenster

Das war dann wohl nix mehr

In dem Riad-Hotel: Wand-Deko in Schwarzweiß, recht luftiges Wüsten-Outfit, für ein muslimisches Land recht gewagt

Auf Dänisch heißt das „hueggelig“

Unser „landlord“ Frederic in seinem absolut exquisiten Riad! Sergent-Chef und Colonel in einer Person! Ein entspannter und sehr französischer Franzose! Auf bald.

Lustige Puschel-Kegelfiguren in der Menara-Mall machen immer wieder Freude.

Eines der schönsten Musikstücke aller Zeiten kann nicht Schaden.

https://www.youtube.com/watch?v=iOJyCG3LAHE

 

 

 

 

 

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