Das war schon ein großes Fest, die Organisatoren sprechen von 40.000 Besuchern, die sich an zwei Tagen ein lustiges Stell-Dich-Ein aus Kurios bis Gruselig gaben. Ein Erlebnisbericht.
Die Comic.Convention ist eine Messe für eine verschworene Gemeinschaft aus eingefleischten Fans des Comic-Manga-Fantasy-Sciene Fiction-und Horror-Genre und ich muss gestehen, ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Gänzlich unvorbereitet und unbedarft hatte ich übergroße und harmlose Comic-Helden wie Asterix und Obelix sowie eine Handvoll Star Wars Krieger erwartet. Was ich nun sah, hat mich wirklich beeindruckt, fasziniert und ich muss gestehen, etwas überfordert. Was mir sofort aufgefallen ist: Mit einer unglaublichen Fantasie und Kreativität gehen die Verkleideten ans Werk. Schrill, bunt und sehr originalgetreu ging es zur Sache, je fantastischer, desto besser. Sehr großes Kino! Nicht nur jeder einzeln Kostümierte, nein die schiere Masse an begeisterten Fans machte mir ein wenig zu schaffen, eine echte Herausforderung als Fotograf, da hinterher zu kommen.
Früher (!) gab es Punks, Rocker, Gothics und einmal im Jahr Fasching und selbst damit dachte die Generation vor uns schon an den Untergang des Abendlandes, heutzutage ist das Kostümieren eine gewaltige Szene und ich möchte fast behaupten, eine ganze Bewegung, die mehrere Millionen Fans auf der Welt eint. Eine bunte Mischung aus Karneval, Mummenschanz und Verkleidungswahn. Zwangsläufig denke ich, was für ein gewaltige Wirtschaftsindustrie „Business“, was für ein Millionenumsatz, ein gigantischer Kommerz. Und es ist ein Eintauchen in eine Welt voller Abenteuer und „Alles-ist-möglich-Fantasien“. Ist das einfach nur eine perfekte Strategie gegen den grauen Alltag oder nur eine radikale Flucht aus der Realität oder umgekehrt? Vorsichtig könnte man natürlich auch fragen, ob es irgendetwas im „normalen“ Leben gibt, was diesen Menschen fehlt? Noch andere würden sagen: „Die haben einfach alle einen an der Klatsche, komplett schmerzfrei“. Die Bandbreite von Zustimmung bis Ablehnung dieser Szene wird sicherlich einige Grautöne haben, wie mir scheint.
Da muss man voll einsteigen! Da kann man nicht mal kurz mitmachen, wie mir scheint. Meine Scheu lege ich relativ schnell ab und schnappe mir, wen ich kriegen kann vor die Kamera, läuft. Gesehen und gesehen werden ist hier das Motto und ich überschütte meine Models mit Komplimenten, wie toll es aussieht. Ein bisschen mutet es auch wie ein Wettbewerb der Eitelkeiten an. Die Menschen haben sich extrem aufwendig gestylt, geschminkt und verkleidet, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, so viel steht fest. Es ist wirklich alles dabei, von Bizarr, Fetisch-Geneigt, Verspielt bis zum alten Rollenspiel „Gut gegen Böse“ und natürlich „Sex and Crime“. Leben diese Menschen einfach nur ihre Träume? Die Frage bleibt. Vermutlich ist es eine Kombination aus vielen Faktoren, klar ist aber auch, dass es für bestimmte Personen fast schon eine „neue“ Religion ist und diesem Kult huldigen. Vor allen Dingen haben diese Kult-Anhänger eine sehr charmante Art und die nötige Portion Selbsthumor und Witz, all das mitzumachen. Wenn auch vor einem „fast“ ernsten Hintergrund, vielleicht steigert sich der eine oder andere auch ein bisschen zu stark hinein. Das ist ja auch die Kunst der Menschen insgesamt: Immer alles übertreiben zu müssen, leider. Aber es ist ja auch so, dass heutzutage wirklich kaum eine Sache nicht zum plötzlichen Kult erhoben und erhöht werden kann. Irgendwie etwas verquer.
Ich kann nachvollziehen, aber stoße doch an meine Grenzen, denke ich doch, mir fehlt einfach dieses Gen für Rollenspiele. Das Leben ist schon so aufregend und anstrengend genug. Die Veranstaltung ist mehr als unterhaltsam und sehr gelungen: Es gibt große Hollywood-Stars zum Anfassen wie zum Beispiel Schauspieler, Regisseure, Comic-Erfinder und Zeichner und natürlich die Darsteller selbst. Autogrammstunde und Fototermin inklusive. Allerdings ist dann der angekündigte, alte Chuck Norris (!) doch nicht aufgekreuzt. Allerdings frage ich mich: Was zum Herrgott hat Chuck Norris hier verloren? Geld verdienen? Ja und Nein, gemunkelt wird über eine Gage von weit über 100.000 Dollar für zwei Tage PLUS Spesen, schlapp verdientes Geld, angemessen? Dafür schleicht ein wunderbar anzusehender Pirat als Johnny Depp im selben Torkelgang originalgetreu mit Bierflasche in der Hand durch die Hallen und Gänge, gefolgt von einer Traube von Menschen und begeisterten Fans. Und dann ist da auch noch der junge Mann, der als Wehrmachtssoldat in voller Uniform, Knobelbechern und Gewehr im Anschlag seine Runde dreht, dabei spielt er mit seinem kleinen, tragbaren Soundsystem das Lied „Was wollen wir trinken, sieben Tage lang…“ und marschiert, patrouliert stundenlang über das Gelände, einfach nur kurios, und das bei gefühlt 40 Grad im Schatten bitte schön. Bedenklicher ist es da schon, wenn Unmengen an Zombies und Freddy Krüger Double oder junge Frauen als Opfer mit krass zugerichteten blutverschmierten Wunden im Gesicht ihre Show abliefern! Tiefenpsychologisch wird es dazu sicherlich schon die ein oder andere Untersuchungen gegeben haben. Das Faszinosum Grauen scheint einfach in uns zu stecken, muss man mit leben, mit den Abgründen… wenn sie denn da sind.
Es gibt einen riesigen Show-Lauf aller Star Wars Akteure. Draußen auf der großen Wiese gibt es dann ein Gruppenbild. Wahnsinnig aufwendig ist auch der Stand in der großen Halle! Wow! Ein komplettes Raumschiff wurde originalgetreu aufgebaut, meterlang und hoch. Absolut genial. Viel Arbeit und Herzblut würde ich sagen, so etwas baut man mal nicht kurz an einem Wochenende… Wieviel Freizeit dafür herhalten muss, wirklich sehr engagiert. Dann wiederum bin ich etwas erschreckt, auch hier ist die Hierachie, vielleicht aber auch Gruppenzwänge deutlich spürbar: Mit rauem Kommandoton erteilen die einzelnen Truppen-Chef ihre Anweisungen an ihre Kollegen/ innen und Untertanen. Gut organisiert, wie mir scheint. Und alle gut gelaunt, super Stimmung bei allen Beteiligten, ich würde sagen, man schätzt sich, man feiert zusammen, man ist Teil dieser Gruppe und liebt diese doch so irgendwie düstere Zukunft. Wobei, es ist doch so, die Macht sei mit Dir und das Gute triumphiert dann hoffentlich immer über das Böse, richtig? Wer spielt eigentlich die Bösewichte? Wird das dann ausgelost oder wird man eingeteilt, oder darf man vielleicht eine Woche „Guter“, die nächste dann doch wieder „Böser“ sein? Wie dem auch sei, es ist eine gewaltige Fangemeinde, die sich hier versammelt und austauscht, da gerät das Indiviuum schon mal mit dem Konformismus in Konflikt, denke ich ein wenig irritiert. Aber viel seltsamer erscheint es mir, wenn mir „Ghostbuster“-Anhänger in voller Uniform-Pracht davon erzählen, dass sie noch nicht das „offizielle“ badge am Ärmelkragen tragen dürfen, das müsse erst noch von anderer Stelle autorisiert werden. Seltsame Zwänge… Hey, das ist in erster Linie ein Freizeitspass! Und viele schütten hier echtes Herzblut rein. Ich zu meinem Teil finde, dass hier Vorschriften keine Rolle spielen sollten. Da denkt man sich etwas aus, was einem Spass macht, dann sucht man sich Gleichgesinnte und dann tritt schon irgendwann das Organische hinzu, plötzlich entsteht Wettbewerb. Alles wird professioneller. Wenn mir danach wäre, mir noch ein Einhorn zum Ghostbuster-Outfit auf die Stirn zu bappen, dann würde ich das wahrscheinlich machen!
Es wird noch kurioser. Komplett verkleidete Hasen-Mensch-Tier-Mischungen und Fabelwesen wuseln hüpfend und tänzelnd mit den jeweiligen Tiergeräuschen und seltsamen Lauten um einen herum! Es geht irgendwie alles: Männer verkleiden sich als Prinzessinnen, Frauen wiederum kleiden sich wie männliche Massenmörder oder übernehmen andere Männerrollen, Roboter-Maschinen-Menschen staksen mit den richtigen Computerstimmen vorwärts, alles wild und und quer durcheinander. Vorwärts! Bestaunen, begutachten, Kopfschütteln. Auch hier kann die Reihenfolge natürlich variieren.
Etwas unscheinbarer, weniger schrill und leise, aber für eingefleischte Kenner der Film-Szene nicht zu übersehen, schwebt hier eine Hollywood Diva der besonderen Art übers Gelände, mein persönliches Highlight des Tages: Mister Big Lebowski a la „The Dude“. Perfekt inszeniert und doch so einfach. Den kenn‘ ich zumindest, oh, da ist die Welt noch in Ordnung.
Bei vielen anderen habe ich dann irgendwann aufgehört nachzufragen, „wer sie denn nun seien“. Ich vergesse es in der Masse ja doch nur wieder. Aber jeder Kostümierte hat hier seinen persönlichen Schatz, den er zur Schau trägt. Mal mit mehr, mal mit weniger Talent. Irgendeine vollverschleierte Person in einem verzierten schwarzen Gebilde, eine Art übergroßer Donut-Kringel am Hals und um ihren Körper erzählt mir dann, als sie ihre Kopfbedeckung abnimmt, sie sei die Botschafterin XYZ aus dem Comic-Film ABC, ich bewundere die Verkleidung, habe den Titel schon längst wieder vergessen und wir verabschieden uns wie gute alte Freunde. Es scheint wirklich aufzugehen: Alle Menschen hier auf diesem kleinen Fleckchen Erde scheinen heute glücklich und ausgelassen zu sein!
Dann wiederum fallen sich hunderte von Teenies schreiend und dann wieder ganz still in die Arme, freuen sich über Gleichgesinnte und begutachten ihre Kostüme, feiern ihre japanischen Manga-Kostüme, rücken die vielen bunten Perücken und falschen, aber eindrucksvolle Haarkostüme zurecht und wackeln mit ihren Puschelohren oder Antennen. Andere „Cosplayer“ (kommt von Costume:-) haben sich martialische Uniformen und futuristische Rüstungen selbst gebaut und schwitzen genüßlich vor sich her, Strafe muss sein, aber was tut man nicht alles für Fans, Publikum und Fame? Es war toll, zu sehen, mit welchem Enthusiasmus die Menschen hier ans Werk gehen und mit einander umgehen. Beim großen Finale am Sonntag durften dann die besten Darsteller auf die Bühne zum Wettbewerb und sich noch einmal vor großem Publikum zeigen. Auf anderen Bühnen wiederum erzählten Regisseure oder Comic-Zeichner über ihre Geschichten und jeder war eingeladen, in eine fremde, fantastische Welt einzutauchen, zumindest kurz. Dass diese Künstler ein großes Geschick in Sachen Gestaltung, Zeichnen und Bilder haben, konnte man an den Ständen sehen und erleben.
Mein großer Respekt an alle Darsteller und Kostümierten! Die Szene wirkte fast familiär, entspannt, friedlich, neugierig, aufgeschlossen und sehr vertrauensvoll, der Umgang miteinander war sehr respektvoll und höflich, und nahezu alle besitzen – Auge in Auge mit dem Ernst der Sache – eine große Portion Humor und Selbstironie, was ich sofort extrem sympathisch fand. Bei allen Eitelkeiten schwing auch immer eine Art Stolz auf das Gezeigte mit, was ich sehr angenehm und würdevoll fand. Als ich nach zwei Tagen die Messe dann etwas derangiert verlasse („Was für merkwürdige Gestalten…“), ist nicht alle Skepsis besiegt, aber der positive Gesamteindruck überwiegt die Fragezeichen, die noch in meinem Kopf nachwirren!
Wie so oft, das Geschriebene ist relativ, manchmal sprechen einfach die Bilder für sich! Dafür habe ich die vielen Fotografien gemacht, zu dokumentarischen Zwecken, so wie meine Kegelbahnen, Automaten oder Flugzeugdetails. Hat mir viel Freude gemacht. Viel Spass beim Durchblättern und Staunen. Und nicht vergessen, das Wort Comic muss ja irgendwie von Komik kommen, oder?