Was sich alles tut? Ein kleiner Rundgang zum Jahresauftakt im deutschsprachigen Kunstzirkel. Vier Hallen, vollgepropft mit vielen vielen Dingen. Quietschbunt scheint gerade sehr groß zu sein und wo das Auge auch hinfällt, Farbexplosionen und Extravaganzen buhlen überall um die werte Aufmerksamkeit des gesättigten und recht elitären Publikums. Kunst ist halt doch genauso wie die Mode auch nur in portionierten Mengen zu ertragen. Ausreißer mit einer halben Million Euro fallen auch nicht mehr auf wie andere Schmierklekse im mittleren Preissegment.
Zum Beispiel das:
Es gibt schöne Sachen zu sehen, das muss man schon sagen. So viele gute Ideen, die gezeigt werden. Und es gibt das Kopfschütteln. Okay kann man sagen, alles hat seine Daseinsberechtigung, aber wenn der arme Mann seine sechs Bilder zeigt, die, vorsichtig ausgedrückt, recht einfach gehalten sind und stolz verkündet wird, das jedes Jahr genau ein Bild entstanden ist und eine Jahreszeitenstimmung wiedergibt, darf man sich eine tiefere Bedeutung vorstellen… so ist das mit der Kunst.
Eine schöne Serie von einer jungen Malerin sticht heraus und gefällt meiner Freundin ganz besonders, allerdings beißt mich die gewollt wirkende Kinderkrakkelschrift, die ich völlig überflüssig finde. Der Galerist sieht darin eine „außergewöhnliche Komprimierung der Thematik“, wie er sagt. Aha! Nun gut, wie er meint.
Es gibt diese Bilder, die eine echte Magie haben. Dieses Bild gehört für mich zu dieser Gruppe, ich kann es auch nicht erklären. Vielleicht ist es auch dieser komplette Gegensatz von dem armen, geprügelten oder gerade misshandelten, unschuldigen und sehr blassen Kindergesicht für Pädophiliefans mit dem fein-gestrickten blauen-grünen Wespen-Pullover, vielleicht ist es auch einfach nur der schöne Halsschmuck. Für knapp 30 TSD EUR ist es Deins. Ich finde den Preis weniger gerechtfertigt, aber das hat ja nun schon wieder gar nix zu sagen. Ist das dann eine schnöde Wertanlage mit gehöriger Rendite-Entwicklung für den geneigten Sammler oder Kunstliebhaber?
Der spanische Künstler hat seine Muse gleich noch einmal in einen Schrein voller Erlebnisse und Erinnerungen gepackt. Auch gut.
Weitere Werke, die zu bestaunen sind, eine Auswahl.
Den platten Rosa-Verlauf gibt’s für schlappe 23 TSD EUR und kommt auf eine ungefähre Ausdehnung von 1,5 m auf 2 m. Nicht wirklich wichtig. Was aber wirklich wichtig ist: Als ich mich bei einem nett drein schauenden Galerie-Typ im mittleren Alter nach dem verwendeten Fotopapier erkundige und von oben herab als hilfloser Amateur und entlarvter Kunstbanause geoutet werde, wird mir erst dieser ganze Kunst-Betrieb bewußt. Dem Mann aus Erfurt (!) waren meine Schuhe wichtiger: „Schöne Schuhe haben Sie an!“ Fragend schaut er mich an. Ich schaue ganz perplex runter, kann eine Antwort nicht finden, schaue kurz auf seine ähnliche Treter, denke kurz, will er mir nun schmeicheln, verbleibe still, so dass er hinterherschießt: „Ist das „pünktchen,pünktchen,pünktchen“? Einen Namen, den ich noch nie gehört habe und mich noch nie mit Schuh-Herstellern beschäftigt habe, ich verneine, sage, die habe ich in Berlin vor 15 Jahren in der Friedrichstraße ersteigern können. Weniger glücklich und schon etwas genervt wendet sich der Brillenträger ab, um seine Geschäftigkeit zu unterstreichen. Und überhaupt, „nein, er müsse sich eigentlich von fünf Künstlern trennen,“ er könne gar nicht alles zur Zufriedenheit abwickeln, und überhaupt, alles wäre ja so anstrengend. „Stellen Sie sich mal so eine Messe vor, mondieu, was für eine Arbeit.“ Danach bräuche er erst einmal drei Wochen Erholungsurlaub in der Karibik.
Zuhause war ich dann doch neugierig und schaue beim Schuhausziehen innen rein und auf die Sohle… einen Schriftzug oder wie auch immer konnte ich nach all den Jahren nicht mehr erkennen. Jetzt werde ich wohl nie erfahren, was ich für interessante Schuhe an hatte. Die Unwissenheit nenne ich doch mal Freiheit, oder Kunst?