Männersache?

Komm, wir spielen ein bisschen Auto! 1,60 m, blaue Augen, blonde, lange Haare, Pferde- und Pferdestärke-Liebhaberin, weibliche Figur, natürlich und verführerisch zugleich sucht Mann für sportliches Miteinander. Das könnte also eine erste Beschreibung der Kathi aus der Nähe von Linz sein. Vor Zuschriften wird es der jungen Dame nicht mangeln, schätze ich. Und da ist sie auch schon. Ich treffe Katharina und ihren Vater an diesem kalten und regnerischen Tag. Wo wohl? Bei  ihrer hübschen, weißlackierten amerikanischen Corvette, Baujahr 1975 aus dem Haus Chevrolet. Wäre da nicht diese brachiale Ansaugtrichter, der aus der Motorhaube ragt, man würde nichts Böses erwarten, normale Straßenkarre. Klar, etwas schneller. Hans klärt mich mit seinem charmanten Österreichisch auf. Das war immer sein Traumauto, das er sich irgendwann direkt aus Amerika mitgebracht hat. Familienauto, für die schönen Sonntags-Familienausflüge. Seine Leidenschaft für amerikanische Rennautos wurde größer. Und dann war klar, da muss ein „etwas“ größerer Motor rein. Wozu hat man sonst ein Rennauto? Man will ein bisschen Rennen fahren! Gleichgesinnte gibt es ja auch. Als Chemiker kennt man sich aus, was in solche Maschinen muss. Und es wurde alles ein bisschen optimiert, wie er sagt. Mit anderen Worten: Schneller. Hans, der Rennfahrer, der Perfektionist und Adrenalin-Junkie. Mittlerweile macht er auch noch andere Sachen, als Wettrennen zu fahren. Langsam dämmert es mir, dass er heute gar nicht an den Start geht. Wer dann? Hans stellt mir die hübsche junge Frau neben ihm vor.

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Ich bin auf einer echten Profi-Rennstrecke und schaue mir die schweren amerikanischen Autos an, die hier bald an den Start gehen werden. US-Car Fans müssten hier voll auf ihre Kosten kommen. Starke Motoren, Rennflitzer und Dragster, alles da. Nur das Wetter spielt nicht mit. Alles nass. Rennen abgesagt. Na dann morgen vielleicht. Die Rennstrecke ist abgesperrt, die Start-Zeitanlage für die „Piloten“ aufgebaut. Gefahren wird eine Viertel Meile. Die legendäre Distanz zwischen Start und Stop. In Amerika ziehen diese Rennen Tausende Menschen an die Leitplanken, Hundertausende vor die Fernsehgeräte. Moderne Helden mit ihren schnellen Autos, die eher aerodynamischen Flugzeugen ähneln als Autos mit vier Rädern. Big Business in Amerika. Da wird nicht nur viel Geld in neueste Technik und Fahrer investiert, da wird auch viel Geld verdient. Und wie das so beim Motorsport ist: Die Trennlinie zwischen „gewöhnlich“ und „außergewöhnlich“ verläuft im Kommabereich. Vier Stellen hinterm Komma entscheidet die gestoppte Zeit über Gewinner und Verlierer! Wahnsinn. Muss man mögen. Aber wie gesagt, damit ist viel Geld zu verdienen, wenn man auf das Treppchen kommt.

 

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Jetzt aber zu Katharina. Es regnet sich ein. Wir haben ein bisschen Zeit. Das Auto steht geschützt unter dem Zelt. Meine Neugierde wächst, als sie anfängt, zu erzählen. Mit 17 Jahren hat sie angefangen, sich hinter das Lenkrad zu setzen. Das Interesse an Motorsport und ihre Technikbegeisterung waren schon immer da, wie sie sagt. Versteht sich, wenn man so einen Vater hat, der einen immer mit auf die Rennstrecke gezerrt hat. Ansonsten war sie ein, wie sagt sie, ganz „gewöhnlicher“ Teenager, mit Schule, Freunden, Ausbildung zur Chemiefachkraft und Liebe zu ihrem Pferd. Nur das sie halt auch gerne das schnelle Auto von Papa gefahren ist. Und, was sagt die Mutter zu diesem exklusivem Hobby, so ganz ungefährlich ist das ja nicht? Nun, am Anfang war die Mutter skeptisch, aber dann konnte sie ja sehen, dass die Tochter im Umgang mit der Rennmaschine immer sicherer und geübter wurde. Und mit dem Vater als Mentor und Ausbilder passt das schon. Ist doch eine totale Männerdomäne, dieser Rennsport, frage ich. Fühlt man sich da nicht ein bisschen als Küken unter all den „alten“ Männern? Schmunzeln. Schon, aber ich bin gut und hier zählt die Leistung und das Können. Da mache ich locker mit. Außerdem bin ich ja noch jung. Ich habe also noch viel Zeit, meine Zeiten zu verbessern. Ich bin beeindruckt von dieser eher ruhigen Frau. Muss man ja auch sein. Das macht vielleicht das Selbstbewusstsein, dass sie definitiv hat. Ich bin beeindruckt. Und Anerkennung von ihren Mitstreitern und Kollegen hat sie ja auch.

 

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Was ist also das Geheimnis einer guten Rennfahrerin? Alles entscheidet sich am Start, wie sie sagt. Also die Millisekunde Reaktionsvermögen, wenn die Ampel vom dritten Orange auf Grün schalten und es heißt, brachial das Gaspedal zu treten. Natürlich ist das auch eine Übungssache. Aber viele Möglichkeiten hat sie ja nicht, so viele Rennstrecken gibt es nicht zuhause. Da muss man dann die fünf Wochenenden im Jahr raus. Auf die Strecke. Vielleicht hat sie zuhause auch eine Computer-Simulationsanlage mit Gas- und Bremspedal. Für das 10 Sekunden Abenteuer braucht man also volle Konzentration. Wie entspannt man sich, wenn man dann aufgeregt ist? Ist das noch mit Spaß zu meistern? Und wie sieht es mit dem Lampenfieber aus, vor so einem Auftritt mit tausenden Zuschauern? Kurze Antwort: In meinem Cockpit bin ich voll bei mir. Da bekomme ich nicht so viel um mich herum mit. Da bin ich ganz cool. Glaub‘ ich ihr sofort.

 

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Das Geschoss, was Katharina fährt, hat auf jeden Fall die beste Ausrüstung, die man sich vorstellen kann. Aus der Junior Dragster Klasse ist sie mittlerweile rausgewachsen. Der V8 Motor mit 7.000 ccm hat eine Leistung von gut 600 PS und wird von ihr mit einem Ethanol-Rennbenzin-Gemisch versorgt. Andere Rennfahrer nehmen nur Lachgas. Aber das ist ihr doch noch ein bisschen zu riskant. Da geht auch schon einmal ein Wagen in Flammen auf, wenn etwas nicht richtig stimmt. Zu ihrer Grundausstattung gehören in jedem Fall ein feuerfester Rennanzug, Handschuhe, Schutzhelm, spezielles Schuhwerk. Und ein Kopfhörer natürlich. Denn so ein Motor muss sich ja vor dem Rennen „warm“ laufen. Braucht ungefähr zehn Minuten, wo alles noch einmal geprüft und justiert wird. Da ist es schon ganz laut im Umkreis. Und wenn alle Fahrer ihre Maschinen anwerfen, erst Recht. „Kleinere“ Veränderungen haben den Motor erst zu dem gemacht, was er jetzt ist, eine perfekte Leistungsmaschine. Spezielle Rennköpfe und Vergaser.

 

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Man kennt sich natürlich in der Szene und wir werfen einen Blick auf die anderen Fahrzeuge. Volker aus Baden-Württemberg ist auch dabei. Er hat wirklich ein schweres Gerät am Start. Ein schwarzer Camaro, ein echtes Biest. Aber das juckt Katharina nicht weiter. Und es gibt noch Gerd, der einen „originalen“ Dragster aus den USA mitgebracht hat. Das ist eines dieser Raketenautos mit dem riesigen Motorblock im Heck des Fahrzeuges. Wer wird nun das Rennen für sich entscheiden? Tja, das geht den Fahrern bestimmt durch den Kopf. Katharinas Bestzeit für die 1/4 Meile liegt bei 10,87 Sekunden. Ganz schön schnell, wie ich finde.

 

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Das Wetter wird besser. Die Rennstrecke trocknet. Langsam sammelt sich das Publikum an der Tribüne und Absperrung. Die ersten Motoren jaulen auf. Es ist so weit. Gleich geht es los. Katharina zieht ihren roten Anzug an und ihr Vater Hans kümmert sich um das Auto. Jetzt ist volle Konzentration gefragt. Mit ohrenbetäubendem Lärm springt der Motor an. Hans hört genau hin, ob alles rund läuft. Wahrscheinlich kennt er jedes Geräusch in- und auswendig. Katharina sitzt in ihrem Fahrzeug mit Sicherheitszelle, Überrollschutz und gibt routiniert Gas. Kurz vor dem Startpunkt gibt es dann den „Burnout“, wo sich die Reifen bei blockierten Vorderreifen mit Vollgas schon einmal kurz in den Asphalt bohren, um die richtige Reibung zu erhalten. Die weiße Corvette rollt an die Startlinie und wird „eingestaged“, wie man so schön sagt. Dann heißt es, gleichzeitig Transbreak – weg von der Bremse, voll aufs Gas. Und los geht’s! Gut weggekommen, kein Fehlstart.

 

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Das ist jetzt die Qualifikationsrunde. Die Konkurrenz ist stark. Insgesamt sechs Fahrer treten gegeneinander an. Fahrer? Ich traue meinen Augen nicht. Noch eine zweite Fahrerin! Das ist Petra, die Frau von Volker. Noch so eine Speed-Lady! Ungläubiges Kopfschütteln bei mir. Heute muss mein Glückstag sein. Ich wollte eine Reportage über Rennsport machen und treffe gleich auf zwei weibliche Fahrerinnen. Das hat doch schon ein bisschen was Exotisches unter all den Männern hier, oder? Toll. Übrigens wird Petra das Dragster Rennen zum Schluss für sich entscheiden. Glückwunsch! Und Katharina wird den dritten Platz belegen. Ist doch auch super. Hallo!

 

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Katharina ist nicht so zufrieden. Mit ihrem Vater geht sie zusammen das Rennen noch einmal durch. Mentor und Coach, beides. Auch, wenn mal nicht alles so gestimmt hat. Das nächste Mal läuft’s besser. Was ist denn Dein Lieblingsauto, frage ich sie noch. Wie aus der Pistole geschossen: Der Dodge Challenger! So ein richtiges Muscle Car. Schönes Auto. Ich muss an den Film „Bullitt“ mit Steve McQueen denken und an die grandiose Verfolgungsjagd durch die engen Straßen von San Francisco. Ob sie den Film wohl kennt? Bestimmt. Und was fährst Du sonst so auf der Straße? Auch was amerikanisches. Ein Jeep Cherokee. Der passt gut und kann den Pferdehänger auch mal mitnehmen, wenn es sein muss. Wo möchtest Du denn noch auf jeden Fall einmal hin? Nach Santa Pod. Das ist eine legendäre Rennstrecke in England. Geht mir noch eine letzte Sache durch den Kopf: Wer finanziert eigentlich den ganzen Spaß? Hans springt zu mir. Wir! Was, keine Sponsoren am Start? Nein, bis jetzt noch nicht. Die meisten Fahrer finanzieren ihren Rennsport selber. Und er möchte ein großes Rennen am legendären Lausitzring im nächsten Jahr organisieren. Geplant ist ein Riesenspektakel mit allem Drum und Dran. So wie ich Hans nun kenne, wird er das mit seinen Ambitionen und seinem Können auch perfekt durchziehen. Und dann ist auch Katharina wieder mit am Start. Ganz sicher.

Ein bisschen passt das schöne Lied von dem französischen Liedermacher, wie ich finde.

 

 

 

 

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