30 Jahre Spezialeffekte für Film und Fernsehen. Nun ist Schluss mit den
geplanten Explosionen.
Ein typischer Berliner Hinterhof in Neukölln in einer unscheinbaren
Nebenstraße. Ein paar Lagerhallen und mittelständische Handwerksbetriebe,
eine Autowerkstatt findet man hier. Und die Pyrotechnik GmbH. Hinter einer
schweren Eisentür, mit Alarmanlagen wie die Deutsche Bank gesichert,
versteckt sich die Welt des Michael Bouterweck und seiner Frau Daniela
Goepel. Werkstatt und Unternehmenssitz einer festen Institution in der Film-
und Fernsehwelt in Deutschland. Wenn man Spezialeffekte, Nebel und
Regen, Explosionen aller Art und Größe oder Waffen für eine
Produktion benötigte, war man gut beraten, sich an Michael Bouterweck und
sein Team zu wenden. Es gab nichts, was er nicht hätte zaubern können. Wir
sitzen in seinem kleinem Büro im ersten Stock und trinken Kaffee, seine Frau
verpackt nebenan Büromaterialien. Nach über 30 Jahren im Film- und
Fernsehgeschäft ist nun Schluss. Ein leiser Abschied, ganz ohne Feuerwerk,
Knall und Rauch.
Herr Bouterweck, Sie haben in Ihrer Karriere hunderte von Produktionen
mit Ihrem Unternehmen begleitet und es ordentlich Krachen lassen.
Kann man dann so einfach abschalten und aufhören?
Mit Mitte 60 ist es nicht mehr so einfach 12 Stunden und mehr an einem Drehort zu
stehen und auf seinen Einsatz zu warten. Natürlich fällt es einem trotzdem nicht so
leicht sein langes und interessantes Berufsleben hinter sich zu lassen, aber irgendwann
muß man diese Konsequenzen ziehen. Und dann bringe ich das auch hier mit
dem Unternehmen zu einem guten Ende. Es ist ja nicht so, dass ich nicht
gerne die Firma in vertraute Hände abgegeben hätte, aber mit der geplanten
Übergabe an jüngere Kollegen hat es einfach nicht geklappt. Leider. Also
musste Plan B her und das heißt Abwicklung und Verkauf meines Inventars,
was ja nicht wenig ist. Ich bin immer noch dabei, für das eine oder andere Teil
einen Abnehmer zu finden. In mehr als 30 Jahren Film- und
Fernsehproduktionen kommt halt doch einiges zusammen.
Also, der große Ausverkauf?
Ganz so schlimm war es nicht, und im Übrigen ist die Zahl der möglichen
Käufer mit Lizenzen relativ überschaubar. Den Großteil unseres
Waffenbestandes habe ich zum Beispiel an eine holländische
Spezialeffektfirma verkaufen können. Ich bin heilfroh, dass das schon einmal
geklappt hat. Aber ganz so einfach ist es nicht, wenn man auch umgebaute
Kriegswaffen im Angebot hat. Jetzt muss der Transport mit allen
Genehmigungen und Sicherheitsbestimmungen organisiert werden. Mit den
kleineren Geräten, wie zum Beispiel Wind- und Nebelmaschinen ist es da
unkomplizierter. Man kennt mich ja und weiß, was ich im Angebot hatte.
Unsere große Regenanlage ist auch schon weg. Aber es gibt noch viel zu tun,
bis ich mein Lager geräumt habe. Ich versuche mit meiner Frau bis
Weihnachten das Gröbste geschafft zu haben.
Wie muss man sich so einen Arbeitstag als Feuerwerker,
Sprengstoffexperte und Waffentechniker beim Film vorstellen?
Ich bekomme eine Aufgabe gestellt und dann mache ich mich an die Planung.
Wenn man bedenkt, dass ein „normaler“ Drehtag schon mal gut und gerne
35-40 Tausend Euro kosten kann, erwartet jeder, vom Regisseur angefangen
bis zum Kameramann und dem Produktionsleiter, dass man eine gute Arbeit
und punktgenau abliefert. In dem Drehbuch stehen die Vorgaben und es gilt
dann zu überlegen wie alles umgesetzt werden kann, so dass es im Film, für
den Zuschauer gut aussieht. Letztendlich ist das ja das Ziel meiner Arbeit:
Alles möglichst echt und realistisch darzustellen. Ob ein Auto explodieren soll
oder ein Schauspieler schiessen muß, es regnen soll oder ein Regal aufs
Stichwort umfallen muß – immer ist die Sicherheit aller Beteiligten das oberste
Gebot. Zusätzlich muß es noch perfekt aussehen und darf nicht zuviel kosten.
Gab es einmal eine brenzlige Situation?
Nein. Die entsprechenden Planungen, Vorgespräche mit allen Abteilungen und das
gesamte Genehmigungsverfahren bei Behörden, sorgen dafür, das es keine wirklichen
Gefahren geben kann. Die wirklich einzige brenzlige Situation am Set ist – kein
Catering oder ein schlechter Koch.
Was waren die Highlights in Ihrer Filmkarriere?
Meine aufwändigste Produktion war “Das Wunder von Lengede” in Goslar.
Dort haben wir das einzige Süßwasserstudio in Europa gebaut. Ich war für
die gesamte Wassertechnik verantwortlich.Wir haben ein komplettes
Wassersystem entwickelt, was durch einen gebauten Bergwerksstollen alle
20 Min.rauschte und die Schauspieler mitriss. 420.000 Liter in 60 sec flossen
durch die Dekoration. Es ist ganz selten gewesen, dass ich über die gesamte
Produktionsdauer von mehreren Wochen vor Ort war. Meistens waren unsere
Einsätze pro Film auf 2-4 Tage beschränkt. Je nach Planung und Umfang
natürlich. Eine aufwendigere Produktion war der Dreiteiler „Die Wölfe“ von
Friedemann Fromm und seine Serie “Weissensee”. Beides haben wir gerne
betreut und uns auch im Team sehr aufgehoben gefühlt. Bei der Hollywood-
Produktion „Das Duell“ von Jean-Jacques Annaud mit Jude Law haben wir
übrigens nur Kopfschüsse gemacht, beim Kampf um Stalingrad. Auch die
Zusammenarbeit mit Loriot war eine schöne Erfahrung für uns.
Wie sind Sie denn zum Film gekommen?
Während des Studiums hat mich ein Freund als Ausstattungshilfskraft zum Film
geholt. Die vielen verschiedenen Aufgaben mein Interesse geweckt, so dass
ich nach dem Studium dabei geblieben bin.
Ich habe die verschiedensten Ausbildungen und erforderlichen Prüfungen
gemacht (Sprengtechnik, Pyrotechnik, Waffentechnik etc.) , um die
gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen.
60 Prozent von dem, was man im Film dann von meiner Arbeit sieht, ist
immerhin Vorbereitung, Planung, Rechnen, Zeichnen, Gespräche mit Regie
und Kamera und mit der Ausstattung. Abwechslungsreich und spannend –
was will man mehr und mit meiner Frau habe ich eine perfekte Ergänzung
gefunden. Wir haben die letzten 30 Jahre als Team verbracht. Wir hatten sehr
viel Freude an der Arbeit und an den Menschen die wir dabei kennengelernt
haben. Viele von Ihnen sind zu Freunden geworden.
Die Spezialeffektfirma Pyrotechnik GmbH wird es also nicht mehr
geben. Wie fielen die Reaktionen aus?
Die meisten Kollegen waren überrascht und zum Teil vielleicht auch ein wenig
traurig.
Wenn man 30 Jahre dabei war, ist es für viele nicht so gut vorstellbar, dass man auf
einmal nicht mehr kommt. Aber da wir ja nicht aus der Welt sind, wird der eine oder
andere vielleicht mal einen Rat oder eine Idee brauchen. Die wird es dann von uns
gerne geben. Im Übrigen gibt es aber zur Zeit sowieso gerade einen deutlich spürbaren
Generationswechsel und so wird die Filmgeschichte auch ohne uns weitergehen und
das sicherlich nicht schlechter.